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von Pfarrerin Johanna Bergner

TikTok, Insta, Ich – und Gott

Ist das echt?, fragen die Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse. Vor sich haben sie verschiedene Fotos mit so genannten Influencern. Sie fragen sich, ob Mr. Beast alleine auf all die Ideen für seine Aktionen kommt. Und warum sich Dagi Bee wirklich von ihrem Freund getrennt hat.

Hin- und hergerissen sind die Schülerinnen und Schüler zwischen Bewunderung und der Frage, ob diese Personen wirklich so leben. Unter dem Thema „Vorbilder“ im Religionsunterricht haben wir die letzten Schulstunden vor den Ferien darüber gesprochen, was Ideale sind und was von diesen eine Illusion. Viele junge Menschen erliegen der Verlockung zur Selbstdarstellung. Auf TikTok, Insta und YouTube geht es immer auch darum, was andere denken und wie jeder Post gewertet wird. Man will sich selbst darstellen – und geht dabei umso mehr das Risiko des Verletztwerdens ein.

Ja, jeder und jede hat Ideale. Jede und jede richtet sich immer wieder nach dem, was andere um einen herum machen und sagen. Doch gerade da ist der Grat schmal zwischen Hochgefühl und Enttäuschung, zwischen Selbstbewusstsein und Verletzbarkeit. Und irgendwo dazwischen steht das „Ich“ mit allen Zweifeln und Hoffnungen.

In der Bibel ringen Menschen mit Ähnlichem. Paulus fragt sich, ob er wirklich noch für Gott oder nur noch den Menschen zum Gefallen predigt. Es gibt die Aufforderung, nichts aus Eigennutz und zur Selbstdarstellung zu tun, sondern immer für andere. Und die Psalmen lehren uns, wie schön wir alle von Gott geschaffen sind. Gedanken rund ums „Ich“ und wie wir miteinander und mit Gott dieses „Ich“ formen und leben.

Ich denke, wir könnten mehr Selbstwirksamkeit erfahren, wenn wir uns frei machen für ein Leben, in dem nicht nur Posts und unser Spiegelbild Platz haben, sondern Gott im Herzen mit dabei sein darf. „Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir,“ heißt es in einem Kirchenlied. Wenn Gott Platz einnehmen darf bei uns, fällt es vielleicht noch leichter, über TikTok und Selbstoptimierung hinaus zu sehen, wo wir nicht von den Meinungen und den Blicken anderer bestimmt werden. Damit wir Orte finden, wo wir einfach sein können. Das „echte“ Leben – tja, was ist das? Ich glaube, wir müssen uns dafür immer mal wieder auf den Weg machen. Vielleicht helfen Ferien- und Ruhezeiten dabei. Vielleicht der ehrliche Austausch mit Freunden und Familie. Vielleicht hilft es, das Handy mindestens für vier Stunden am Tag einfach nicht in die Hand zu nehmen.

Das wünsche ich allen jungen Menschen: Ruhepole von der Selbstdarstellung zu finden und gewiss sein zu können: Ich genüge. Und wenn nicht immer mir selbst, so der Handvoll Menschen, die mich echt gut kennen. Und wenn ich das nicht fühle, dann fühlt einer mit mir. Der hat in mir ein festes Herz geschaffen, meinen festen Kern, den keiner anrühren kann.

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