Diakonie
Unternehmensberatung: Clowns verhelfen zu einem Leitbild
Viorika/istockphoto.com
14.03.2017
epd
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen
Die schelmischen Damen stecken ihre roten Knollennasen durch die Bürotür: „Was machst Du da?“, fragen sie, „Was kannst Du eigentlich?“. Die Mitarbeiter der Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie in Mühltal bei Darmstadt bekommen in diesen Tagen ungewohnten Besuch. Clowns wollen das Unternehmen mit rund 2.300 Mitarbeitern und mehr als 4.000 Bewohnern mit Behinderungen kennenlernen. Die Einrichtung will sich von den Clowns zu einem neuen Leitbild verhelfen lassen.
Einmal rollen die Damen mit den Knollennasen einen roten Teppich aus, ein andermal zücken sie eine Ukulele. Mit einer Leiter unter dem Arm fragen sie in einem Büro: „Sollen wir bei Dir die Karriereleiter stehen lassen?“ Zehn Clowns besuchen derzeit in Paaren elf Standorte des Unternehmens, wie die Initiatorin, die Pressereferentin Marlene Broeckers, erzählt. Sie verschafften sich als Rechercheure ein Bild von den Einrichtungen. Als Außenstehende seien sie gegen Betriebsblindheit gefeit.
Narren führen einen Spiegel vor
„Da passt etwas“, sagt die Leiterin der Darmstädter „Schule für Clown und Ensembletheater“, Ann Dargies. Die Clowns kämen den Bewohnern mit Behinderungen nahe: „Sie haben gelernt, ihre Schalen abzulegen, Gefühle ohne Zensur zu äußern und das Kind in uns auszupacken.“ Die Clowns hätten den Auftrag, liebevoll die Arbeits- und Lebensatmosphäre der Nieder-Ramstädter Diakonie zu erforschen, erklärt Dargies. Danach erfüllten sie die alte Aufgabe der Narren, dem Unternehmen einen gnadenlos ehrlichen Spiegel vorzuhalten. Zwei Absolventinnen der Clownsschule, die heute im Betriebsmanagement und in der Leitung einer Altenhilfeeinrichtung arbeiten, unterstützen Dargies.
Die Clowns müssen nach den Worten von Dargies als Schauspieler in interaktivem Theater geübt sein. Mit Expertenrunden seien sie auf ihren Einsatz in dem diakonischen Unternehmen und auf die Kommunikation mit Behinderten vorbereitet worden. Ihre Erlebnisse aus der 14-tägigen Recherchezeit führten die Clowns in der Clownsschule zusammen. Dort übersetzten sie die Erfahrungen in Bühnenkunst, beobachtet von der Berliner Autorin Michaela Bochus und dem Kirchenmusiker Burkhard Jungcurt.
Theaterstück über das Unternehmen entsteht
Diese beiden schreiben beziehungsweise komponieren aus ihren Eindrücken in den folgenden zweieinhalb Wochen ein Theaterstück und die Musik dazu. Dieses wird nach weiteren zweieinhalb Wochen Probe durch das Clown-Schauspielensemble am 2. Mai in der Lazaruskirche in Nieder-Ramstadt vor Bewohnern und Mitarbeitern aufgeführt und gefilmt.
„Es sind auch Ergebnisse möglich, die uns nicht gefallen.“
Die Clowns behandelten ihre Eindrücke vertraulich und hielten alles geheim, beschreibt Broeckers das Vorgehen. Die Unternehmens-Öffentlichkeit sehe als Ergebnis nur das Theaterstück. „Wir haben keine Kontrolle über das, was aufgeführt wird“, sagt Broeckers. „Es sind auch Ergebnisse möglich, die uns nicht gefallen.“
Leitbild für Zukunft der Diakonie
Aus den Reaktionen auf die Aufführung will das diakonische Unternehmen sein Leitbild schaffen. „Die Form ist offen“, sagt Broeckers. Das Leitbild müsse nicht ein Text sein, möglich wäre auch ein Bild, eine Skulptur, ein Film. Wichtig sei die Funktion: „Das Leitbild soll Anstöße für die zukünftige Entwicklung geben.“ Zielrichtung sei, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu fördern.
Anstoß zur „massiven Umwälzung“
Das zuletzt im Jahr 1999 formulierte Leitbild hat nach den Worten von Broeckers den Anstoß zu einer „massiven Umwälzung“ der Nieder-Ramstädter Diakonie gegeben. Die beiden großen Wohneinheiten wurden ab 2005 aufgelöst, die Bewohner in den Folgejahren an rund 50 kleinen Standorten in Südhessen und dem rheinland-pfälzischen Rheinhessen untergebracht und ambulante Angebote zur Unterstützung entwickelt. Nun sei es an der Zeit, ein neues Leitbild zu entwerfen.
Die Methode mit Hilfe der Clowns ermögliche erstmals einen inklusiven Findungsprozess, betont Broeckers. Sowohl die Recherchen an den Standorten als auch die Reaktionen auf das daraus entstandene Theaterstück beteiligten die Bewohner mit Behinderungen. Die Idee, Clowns für die Entwicklung eines Leitbilds zu nutzen, sei neu, hebt auch Dargies hervor. „Das Projekt finde ich ganz toll“, urteilt die Clownsschul- und Theaterleiterin. Ihr Wunsch: Das Unternehmen möge auch nach der Aufführung mit den Clowns in Kontakt bleiben.
© epd: epd-Nachrichten sind urheberrechtlich geschützt. Sie dienen hier ausschließlich der persönlichen Information. Jede weitergehende Nutzung, insbesondere ihre Vervielfältigung, Veröffentlichung oder Speicherung in Datenbanken sowie jegliche gewerbliche Nutzung oder Weitergabe an Dritte ist nicht gestattet.