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„Ein Pfarrer ist nur so gut wie die Menschen vor Ort“

Verabschiedung eines „hauptamtlichen“ Christen

Ev.Gemeinde

Pfarrer Hans-Joachim Greifenstein wird am 2. Februar in den Ruhestand verabschiedet. Von Oktober 2009 an war er in der Evangelischen Gemeinde Schwanheim tätig. Die Gemeindearbeit hatte er stets als gemeinsames Projekt mit seiner Frau Doris verstanden. „Für mich war es Beruf, für sie war es Ehrenamt“, betont der scheidende Pfarrer.

Ev.GemeindeNicht nur Schwanheim wird die beiden vermissen.

In der Rückschau ist der 63jährige nach eigenen Angaben vor allem eines: dankbar für mehr als zehn wunderbare Jahre in einem Dorf, das zu Bensheim gehöre, ländlich geblieben sei, aber nicht hinter dem Mond liege, wie der Pfarrer ausdrücklich betont. Dass Schwanheim weltoffen ist, unterstrich die Kirchengemeinde, als sie 2016 eine Partnerschaft mit der Kirchengemeinde Morogoro in Tansania schloss, das einst eine deutsche Kolonie war. „Diese Zeiten sind vorbei und sie werden nie wieder kommen. Wir sind alle Gottes Kinder. Der Glaube macht uns frei von rassistischen Gedanken“, sagte Hans-Joachim Greifenstein beim Verschwisterungsgottesdienst in der Schwanheimer Kirche.

Kein Herr über euren Glauben

Für den Pfarrer ist die Gestaltung einer Kirchengemeinde keine Funktionärsveranstaltung: „Als hauptamtlicher Christ werde ich dafür bezahlt, das ich evangelisch bin. Aber ein Pfarrer ist nur so gut wie die Menschen vor Ort.“  Zu seinem evangelischen Selbstverständnis gehöre das Priestertum aller Gläubigen. Bei seiner Einführung als neuer Gemeindepfarrer im Oktober 2009 hatte er den Apostel Paulus mit den Worten zitiert: "Nicht dass wir Herren über euren Glauben sein wollen, sondern wir sind Gehilfen eurer Freude“ und betont, dass dies noch heute eine Utopie sei: „Wenn wir unsere Kirche ehrlich betrachten, dann sind da immer noch im Prinzip alle gleich, aber einige sind noch gleicher als die anderen. Ich möchte hier in Schwanheim, Langwaden, Rodau und Fehlheim mit daran arbeiten, dass das anders wird.“

Ist es in den zehn Jahren anders geworden? „Das können andere besser beurteilen als ich“, sagt Pfarrer Greifensein. „Mein Eindruck ist aber, dass es in Schwanheim ein gutes kollegiales Miteinander gibt und die Hierarchie flach ist.“ Er habe Ideen von Gemeindemitgliedern aufgegriffen und sie ermutigt, selbsttätig zu werden – etwa bei den Ausstellungen von Kunstschaffenden aus seiner Gemeinde. „Wir sind keine Pfarrerkirche, sondern eine Volkskirche, in die sich jede und jeder einbringen kann.“ Deshalb sei auch die Wertschätzung von Ehrenamtlichen sehr wichtig.

Wer steht hinter jedem erfolgreichen Mann?

Doris Greifenstein engagierte sich auf vielfältige Weise in der Gemeindearbeit – sei es für das Kirchencafé im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst, die Bibelstunde im Kindergarten, den Konfirmandenunterricht, den Besuchsdienst, die Erwachsenenbildung oder den Fundraising-Ausschuss. Immer wieder wirkte sie in den Gottesdiensten und ehrenamtlich im Kirchenvorstand mit. Sie hatte früher als Gemeindesekretärin gearbeitet und war in Babenhausen stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende. Es bedarf wenig Phantasie, um zu erahnen, wer in der Kirchengemeinde Schwanheim viele Verwaltungsangelegenheiten geregelt und hinter den Kulissen für Ordnung und Orientierung gesorgt hat. Der Satz „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ hat schon seine Berechtigung.

Kirche und Kabarett

Hans-Joachim Greifenstein hatte sich 2006 nach seinem 20jährigen Pfarrdienst in Babenhausen beurlauben lassen und war als „bekennender Südhesse“ drei Jahre hauptberuflich als Kabarettist des „Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)-Kabaretts tätig. Mit Beginn seiner Tätigkeit in Schwanheim machte er bewusst das Kabarett zu seinem Hobby und das Pfarramt wieder zu seinem Beruf. „Als Künstler auf der Bühne bekommst du außer Beifall und Buh nichts zurück. Im Pfarrdienst ist das grundlegend anders. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich in Gesprächen mit Gemeindemitgliedern nicht nur Gebender bin, sondern auch Nehmender. Das ist ein lebendiger Austausch“. Ob Taufe, Trauung oder Beerdigung – als Pfarrer verstehe er sich als Begleiter in allen Lebenslagen und das mache den Beruf so vielfältig und abwechslungsreich.

Hobby und Beruf habe er stets getrennt. Auch wenn es mit ihm öfter mal lustig geworden sei, einem, wie er betont, berechtigten Krach gehe er nicht aus dem Weg.  Das zeigte sich des Öfteren, wenn er sich in die polarisierte Diskussion um Flüchtlinge eimischte. „Bei uns in Schwanheim waren am 31.12.1947 23% der damals knapp 800 Einwohner Flüchtlinge. In der Festschrift zu ‚1225 Jahre Schwanheim‘ lesen wir dazu: ‚Der Integrationsprozess schritt unaufhaltsam fort. Die Flüchtlinge waren aus heutiger Sicht ein Gewinn für das Dorf. Sie brachten frisches Blut, gute Ideen und den ungebrochenen Mut zum Aufbau neuer Existenzen mit‘. Warum soll das, was 1945ff. möglich war, nicht 2015ff. möglich sein?“ schrieb er in einem Leserbrief.

Umzug nach Babenhausen

Pfarrer Greifenstein wird im Februar wieder zu seiner alten Wirkungsstätte nach Babenhausen ziehen. Dort lebt ein Teil seiner Familie. Über den Abschied in Schwanheim hängt ein dunkler Schatten. Seine Frau Doris ist schwer erkrankt. In der letzten Ausgabe des Schwanheimer Gemeindebriefs schrieb Hans-Joachim Greifenstein. „Ich bin unfähig, meinen Dienst zu tun. Es hat uns beide wirklich schwer getroffen und ich war ausgerechnet am Ende unserer zehn schönen Jahre in Schwanheim, Fehlheim, Rodau und Langwaden kein strahlender Held, sondern einer, der Angst hat und schwach ist und Hilfe braucht.“

Hilfe und Unterstützung habe er vielfach bekommen. Auch dafür wolle er sich bei seiner Verabschiedung bedanken. Er habe den Pfarrdienst stets als Teamarbeit verstanden. Das werde auch in seinem letzten Gottesdienst in Schwanheim deutlich werden. „Doris und ich sind als Team nach Schwanheim gekommen und wir werden Schwanheim als Team verlassen.“

In der Einladung zum Verabschiedungsgottesdienst heißt es deshalb auch: „Am 2. Februar werden Doris Greifenstein aus ihrem Ehrenamt als Pfarrfrau und Pfarrer Hans-Joachim Greifenstein aus seinem Amt als Gemeindepfarrer verabschiedet.“ Die Starkenburger Pröpstin Karin Held wird Hans-Joachim Greifenstein in der Schwanheimer Kirche (Rohrheimer Str. 34) von seinem Dienst entpflichten. Der Gottesdienst, an dem auch Dekan Arno Kreh mitwirken wird, beginnt um 15 Uhr.

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