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Von Wolfgang Weissgerber

Wählen gehen

Dennoch ist auch die Kirche ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen, die evangelische sogar ein wenig mehr als die katholische, wo Laiengremien deutlich weniger zu melden haben. Die demokratische Ordnung entspricht dem christlichen Menschenbild. Wahlen sind in beiden Kirchen ein fest verankertes Prinzip. An diesem Sonntag ist es wieder so weit: Die Mitglieder der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wählen die Kirchenvorstände ihrer Gemeinden. Denn wo es in der Kirche Gewalt gibt (nicht als brutaler Körpereinsatz, sondern im Sinne von Befugnis), geht sie ebenfalls vom Volke aus. Basisdemokratisch, von unten her.

Der Kirchenvorstand lenkt die Geschicke der Gemeinde, er ist der Chef ihrer Angestellten, stellt ein und entlässt, verwaltet die Einnahmen und Ausgaben. Er sucht in der Regel auch die Pfarrerin oder den Pfarrer aus. Diese oder dieser hat viel weniger zu sagen, als es scheint – nicht einmal der Vorsitz im Kirchenvorstand steht ihm oder ihr automatisch zu. Das ist schon ziemlich demokratisch.

Leider ist das den meisten Kirchenmitgliedern ziemlich egal. Nur etwa jedes fünfte Mitglied macht von seinem Wahlrecht Gebrauch. Immerhin ein Viertel geht in Kurhessen-Waldeck wählen, sogar fast ein Drittel in der Pfalz. Doch selbst dort, im kirchenbindungsstabilen ländlichen Raum, gehen demnach jazwei Drittel der Protestanten nicht zur Kirchenwahl.

Aber welche dies sind, weiß niemand so genau. Neben einem gehörigen Maß an schlichtem Desinteresse kommt vermutlich auch eine ordentliche Portion an Unkenntnis über die demokratischen Strukturen der Kirche hinzu. Da es sich zudem um eine reine Personenwahl handelt, Parteien und Fraktionen fehlen, ist mit der Kirchenvorstandswahl auch keine Richtungsentscheidung verbunden.

Warum also wählen gehen? Wählen ist eine klare Form der Beteiligung, und es stärkt die Gewählten. Wer sich beteiligt, kann Forderungen stellen. Daheimbleiben und sich dann beschweren, wenn Entscheidungen missfallen, ist keine gute Wahl.

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