Die Theologie der Pause:
Warum Ruhe mehr als Nichtstun ist

04.06.2025
drk-rgw
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Doch Hand aufs Herz: Wie oft wird der ersehnte Urlaub selbst zu einer stressigen Abfolge von Aktivitäten? Wie schwer fällt es uns, wirklich zur Ruhe zu kommen, selbst wenn äußerlich nichts ansteht? Es scheint, als hätten wir verlernt, was Pause eigentlich bedeutet. Ist sie nur die notwendige Regeneration, um danach wieder funktionieren zu können? Oder steckt mehr dahinter?
Aus biblischer und theologischer Sicht ist die Pause weit mehr als nur das kurzzeitige Einstellen der Aktivitäten. Sie ist ein elementarer Be-standteil der Schöpfung und ein zentrales Element der Gottesbeziehung. Schon im ersten Schöpfungsbericht heißt es, dass Gott am siebten Tag ruhte von seinem Werk (Genesis 2,2). Dies ist kein Ausdruck der Erschöpfung Gottes, sondern die Einsetzung eines Rhythmus, eines Prinzips. Gott selbst heiligt die Zeit des Innehaltens. Die Pause, der Sabbat, ist somit nicht bloß eine menschliche Notwendigkeit, sondern ein göttliches Gebot und ein Spiegelbild des göttlichen Seins.
Das Sabbatgebot im Alten Testament (z.B. Exodus 20,8-11) ist radikal: Nicht nur der Mensch soll ruhen, sondern auch Knechte und Mägde, Vieh und Fremdlinge. Es ist ein Gebot der Befreiung, das allen – unabhängig von Status oder Leistung – die Würde der Ruhe zuspricht. Das Buch Deuteronomium begründet das Sabbatgebot mit der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten (Deuteronomium 5,15) – eine Erinnerung daran, dass wir nicht zum Getriebensein geschaffen sind. Die Pause ist somit auch ein Akt des Widerstands gegen jede Form von Versklavung, sei es durch Arbeit, Konsum oder die ständige Verfügbarkeit.
Innehalten ist auch ein Akt des Vertrauens. Wenn wir aufhören zu arbeiten, anerkennen wir, dass die Welt nicht allein von unserer Leistung abhängt. Wir legen unsere Sorge für einen Moment in Gottes Hände und vertrauen darauf, dass er für uns und die Welt sorgt. Die theologische Pause ist also keine leere Zeit, sondern eine gefüllte Zeit – gefüllt mit Gottes Gegenwart, mit Dankbarkeit für die Schöpfung, mit Besinnung auf das Wesentliche.
Moderne psychologische Erkenntnisse bestätigen übrigens auf einer anderen Ebene die Notwendigkeit von Pausen. Forschung zu Themen wie Burnout oder Aufmerksamkeitsspanne zeigt, dass Gehirn und Seele Phasen der Regeneration und des Nicht-Tuns brauchen, um leistungsfähig und gesund zu bleiben. Was die Wissenschaft als Notwendigkeit zur Effizienz beschreibt, deutet die Theologie als tiefere Wahrheit über unsere menschliche Existenz: Wir sind Geschöpfe, nicht Schöpfer; unsere Identität liegt nicht in dem, was wir leisten, sondern darin, dass wir von Gott geliebt und gehalten sind.
Auch Jesus lebte dieses Prinzip. Er war unermüdlich im Dienst, heilte und lehrte, aber zog sich immer wieder zurück, um allein zu sein und zu beten (Markus 6,31). Seine Einladung „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“ (Matthäus 11,28) ist eine Einladung zur Ruhe bei ihm.
Wenn also die Sommer- und Urlaubszeit naht und wir von Entspannung träumen, erinnern wir uns: Die Pause ist theologisch mehr als nur Nichtstun. Sie ist ein heiliger Raum, den Gott uns schenkt, um zur Besinnung zu kommen, Vertrauen zu üben und seine Gegenwart zu erfahren. Möge die kommende Zeit für uns alle eine Gelegenheit sein, diese göttliche Kunst der Pause neu zu entdecken und zu leben.