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Unwort

„Gutmensch“ ist Unwort des Jahres 2015

Kerstin Waurick/istockphoto.comDas Unwort 2015: Gutmensch

„Mit dem Vorwurf ‚Gutmensch‘ werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd bezeichnet.“ Daher sei es das Unwort des Jahres 2015. Mit diesem Begriff würden insbesondere diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Das Wort „Gutmensch“ scheint zu den Favoriten beim jährlichen Wettbewerb um das Unwort des Jahres zu gehören. Bereits 2011 wurde es von der Jury aus Sprachwissenschaftlern und Autoren gerügt, sei aber im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema im vergangenen Jahr besonders prominent geworden“.

Als Gutmenschen wurden 2015 insbesondere diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen. In seiner Predigt zum Reformationstag 2015 hat Kirchenpräsident Volker Jung ergänzt, dass auch diejenigen so genannt werden, die „irgendwelchen Idealen der Menschlichkeit anhängen und dabei angeblich den Blick für die Wirklichkeit verlieren. Und ‚Gutmensch‘ ist eigentlich immer abwertend gemeint.“

Begriff nicht nur bei Rechtspopulisten beliebt

Mit dem Vorwurf „Gutmensch“, „Gutbürger“ oder „Gutmenschentum“ werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert. Der Ausdruck „Gutmensch“ floriert dabei nicht mehr nur im rechtspopulistischen Lager als Kampfbegriff, sondern wird auch von einigen Journalisten in Leitmedien als pauschale Kritik an einem „Konformismus des Guten“ benutzt, so Wolfram Weimer im Handelsblatt. „Die Verwendung dieses Ausdrucks verhindert somit einen demokratischen Austausch von Sachargumenten“, heißt es in der Pressemitteilung zum Unwort des Jahres. Die Jury kritisiert im gleichen Zusammenhang auch die Wörter „Gesinnungsterror“ und „Empörungs-Industrie“.

Menschen, die daran glauben, dass wahres Leben mehr ist

„Mit dem, was Jesus in den Seligpreisungen gesagt hat, ist er sicher eher in der Gefahr für einen ‚Gutmenschen‘ gehalten zu werden“, so Jung in seiner Predigt. Er stellt die Frage, ob mit der Bergpredigt Politik gemacht werden dürfe. Jung betont, dass die Seligpreisungen weder bloßer Seelentrost sind, noch politisches Programm. Es gehe darum „sich von Gottes Reich berühren und ergreifen zu lassen.“ Das bedeute darauf zu vertrauen, dass das, „was uns Menschen gut tut, wirklich gut tut, von Gott kommt. Und was Menschen gut tut, das macht sie selig oder anders übersetzt ‚glücklich‘.“ Diese Erfahrung bedeute auch, dass das Engagement für Hilfsbedürftige nicht einfach bloßes „Gutmenschentum“ sei, sondern von Menschen gelebt werde, die daran glauben, dass das Leben mehr sei als der Erhalt von Macht, Geld oder Sex.

„Hausaufgaben“ für Griechenland und „Verschwulung“ gerügt

Die Jury kritisiert, dass das Wort „Hausaufgaben“ in den Diskussionen um den Umgang mit Griechenland in der EU ‚nicht nur, aber besonders im Jahr 2015 von Politikern und Journalisten als breiter politischer Konsensausdruck“ genutzt wurde, um Unzufriedenheit auszudrücken, dass die griechische Regierung die eingeforderten Reformen nicht wie verlangt umsetze: Sie habe ihre „Hausaufgaben“ nicht gemacht. In diesem Kontext degradiere das Wort souveräne Staaten und deren demokratisch gewählte Regierungen zu unmündigen Schulkindern: Ein Europa, in dem „Lehrer“ „Hausaufgaben“ verteilen und die „Schüler“ zurechtweisen, die diese nicht „erledigen“, entspringe einer Schule der Arroganz und nicht der Gemeinschaft. Das Wort ist deshalb als gegen die Prinzipien eines demokratischen Zusammenlebens in Europa verstoßend zu kritisieren.

Das Wort „Verschwulung“ steht auf dem Buchtitel des Autors Akif Pirinçci und wurde von der Online-Zeitschrift „Männer“ und ihren Lesern zum „Schwulen Unwort 2015“ gekürt. Die Jury teilt die Ansicht der Zeitschrift und ihrer Leser, dass ein solcher Ausdruck und die damit von Pirinçci gemeinte „Verweichlichung der Männer“ und „trotzige und marktschreierische Vergottung der Sexualität“ eine explizite Diffamierung Homosexueller darstellt und kritisiert den Ausdruck daher ebenfalls als ein Unwort des Jahres 2015. Auch durch die Analogie zu faschistischen Ausdrücken wie „Verjudung“ sei die Bezeichnung kritikwürdig.

Unwort-Statistik 2015
Für das Jahr 2015 wurden 669 verschiedene Wörter eingeschickt, von denen etwa 80 auch den Unwort-Kriterien der Jury entsprechen. Die Jury erhielt insgesamt 1644 Einsendungen. 
Die Jury der institutionell unabhängigen Aktion „Unwort des Jahres“ besteht aus folgenden Mitgliedern: den vier Sprachwissenschaftlern Nina Janich von der TU Darmstadt, Kersten Sven Roth von der Universität Düsseldorf, Jürgen Schiewe von der Universität Greifswald und Martin Wengeler von der Universität Trier sowie dem Autor und freien Journalisten Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr der Kabarettist Georg Schramm beteiligt.

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