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Glaube

Andacht: Vor uns die Sintflut?

R. DeschnerFrankfurtDicke Wolken über Frankfurt am Main

Die Sonne zeigt sich kurz, dann wieder Regen und Gewitter über Hessen-Nassau. Was bedeuten diese Unwetter? Extreme Naturereignisse kannten auch die Verfasser der Bibel und geben uns mit der Geschichte über die „Sintflut“ wertvolle Impulse, wie Pfarrerin Ksenija Auksutat in ihrer Andacht erläutert hat.

Die Geschichte von der Sintflut steht in der Bibel, im ersten Buch Mose, ziemlich am Anfang. Vor allem Kinder sind fasziniert von ihr und in fast jedem Kindergarten gibt es zum Spielen eine Arche aus Holz. Dazu gehören immer viele Tiere: Pferde, Katzen, Giraffen, Frösche und viele andere mehr. Die bunten Tierfiguren sind aus Kindersicht ein Abbild der ganzen Schöpfung. Immer wieder stellen die Kleinen den Einzug und Auszug der Tiere in die Arche nach. Die Hauptrolle darin spielt ein Schiff, die Arche. Darin überstanden Noah und seine Familie die Sintflut. Von allen Tierarten war ein Paar mit an Bord des Schiffes. In der biblischen Geschichte schickte Gott die Flut. Weil die Menschen eigensüchtig und gewalttätig lebten, ließ er alles in der Flut untergehen. Aber Noah, seine Familie und die Tiere in der Arche überlebten. 

Theorie der Historiker über die biblische Sintflut

Die Forscher heute wissen nicht, ob es im Altertum eine solche Flutkatastrophe gegeben hat. Denkbar ist es. Wasser ist zu allen Zeiten nicht nur lebensspendend, sondern auch zerstörerisch. Eine Theorie ist, dass die Region des heutigen Schwarzen Meeres einmal bewohntes Land gewesen sein könnte. Nach der letzten Eiszeit, so die Theorie, stieg weltweit der Meeresspiegel an. Das Wasser des Mittelmeeres könnte eines Tages über die Meeresenge des Bosporus getreten sein und die dahinter liegende Tiefebene innerhalb kürzester Zeit überflutet haben. 

Kann die Erde untergehen?

Wie dem auch sei: Fast jede Kultur der Welt kennt solche Berichte von Fluten, die alles Leben auslöschen. Nicht nur die jüdische Bibel, auch babylonische Texte berichten in Form eines Mythos von einer solchen Flutkatastrophe in grauer Vorzeit. Die bange Frage der Menschen lautet in allen diesen Überlieferungen: Kann die Erde eines Tages in einer solchen Katastrophe untergehen?

Wasser, eine Urgewalt

Jede Naturkatastrophe erinnert auch heute daran, dass unser Leben bedroht ist. Urgewalten wie das Wasser umgeben uns. Die Erdoberfläche ist zu 71% mit Wasser bedeckt. Wir brauchen Wasser zum Leben und erfahren doch in jeder Generation wieder, wie zerstörerisch Wasser sein kann. Der Tsunami vor eineinhalb Jahren, die Elbeflut, die Oderflut, das Hochwasser in Hamburg, Sturmfluten an der Nordseeküste – es sind unzählige Katastrophen. Wir versuchen, sie zu beherrschen, aber es gelingt nicht immer. 

Eine Rettungsgeschichte

Der biblische Bericht von der Flut erzählt von einer großen Gefahr. Aber auch von der Rettung daraus. Einer wurde gerettet und mit ihm seine Familie und all die vielen Tiere. Trotz der Katastrophe war die Welt nicht verloren. Es war nicht alles aus. Noah und seine Familie überlebten in der Arche. Mit ihnen geschah ein neuer Anfang. Alle Menschen seit Noah haben Anteil an diesem Neubeginn.

Warum ausgerechnet Noah?

Warum ausgerechnet Noah? Die biblische Flutgeschichte erklärt: Noah ging seinen Weg mit Gott. Er war nicht wie die anderen. Noah war ein gerechter Mann unter seinen Zeitgenossen. „Er tat, was Gott ihm sagte“, wird in der Geschichte erzählt, er hörte auf Gott. Lange bevor die Sintflut begann, riet ihm Gott, ein Schiff, eine Arche zu bauen. Obwohl es keiner verstand, machte Noah sich weit weg vom Meer an diese scheinbar überflüssige Arbeit. Er hat sich Gott anvertraut und dadurch wohlbehalten die Stürme der Flut überstanden.

Die Sintflutgeschichte sagt den Menschen also bis heute: Vertraue dein Leben Gott an. Lebe im Vertrauen darauf, dass Gott dein Leben in der Hand hält. Es fällt aber bis heute vielen schwer, diese Geschichte als Geschichte der Rettung und Bewahrung anzusehen. Das hängt mit dem Wort Sintflut zusammen und mit dem schlechten Gewissen.

Sünde ist, was uns von Gott trennt

Unser deutsches Wort Sintflut enthält das Wort „Sünde“. Eine Flut gegen die Sünde brach über die Menschen herein, so sagt die Bibel. Sünde ist, was uns von Gott trennt. Was uns als Menschen entzweit, entfernt uns auch von Gott. „Sintflut“ bedeutet 'allgemeine Flut, große Überschwemmung'. Aber schon seit vielen Jahrhunderten vermischt sich die Bedeutung des Wörtchens „sint“ mit „Sünd“. „Sint“ bedeutet ganz einfach „allgemein, groß“, Sünde aber bedeutet Schuld und Vergehen. Aus der allgemeinen, großen Flut wurde im Verständnis der Menschen eine Flut „wegen ihrer Sünden“. Das lag ja auch nahe. Eine Flut gegen die Sünde brach über die Menschen herein, so wurde die Bibel verstanden. 

Das Wort Sünde hat immer noch eine tiefe Bedeutung. Irgendwo wissen das die meisten auch. Auch wenn man von „Ess-Sünden“ oder „sündhaft teuren Klamotten“ spricht, ist Sünde nicht einfach moralisches Fehlverhalten, das eigentlich gar nicht so schlimm ist. Sünde ist in Wahrheit, wenn man tut, was einen von Gott trennt.

Leben im Sinne von Frieden und der Liebe?

Lieblosigkeit, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, destruktive Aggression oder Verschwendung – dies alles schafft Zerstörung und Leid, es dient nicht dem Frieden oder der Liebe. Es entzweit Menschen untereinander und entfernt sie auch von Gott. Weil das viele wissen, kommen bei Naturkatastrophen auch immer wieder die Ängste vor einer neuen Sintflut hoch.

Solche Naturgewalten bedrohen Menschen leider regelmäßig, auf der ganzen Welt. Aber was auch geschieht – mit einer Strafe Gottes haben sie rein gar nichts zu tun.

Nach der Flut und vor der Erlösung 

Naturkatastrophen sind keine Strafen Gottes. Zwar steht in der Bibel: Die Sintflut kam von Gott. Aber die Sintflutgeschichte handelt im Grunde von Rettung. Gott und Noah schlossen nach der Flut einen Bund. Am Ende versprach Gott den Menschen: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Der Regenbogen am Himmel war das Zeichen dafür. Bis heute ist der Regenbogen darum ein Symbol für Hoffnung und Frieden. Der Spruch „Nach uns die Sintflut“ ist überflüssig, mit den Augen Gottes betrachtet. Die Sintflut war vor uns und sie wird sich nicht noch einmal ereignen, das hat Gott versprochen.

Der Klimawandel ist eine Tatsache

Aber die Geschichte von der Sintflut drückt trotzdem eine tiefsitzende Angst aus. Was, wenn es noch einmal so eine Flut gibt? Solche Naturkatastrophen geschehen immer wieder einmal. Sie können morgen über uns hereinbrechen oder erst in hunderttausend Jahren. Wir wissen es nicht. Es ist das schlechte Gewissen, das solche Ängste schürt. Wissenschaftler und Ökologen prangern seit Jahrzehnten den westlichen Lebensstil an. Der hohe Verbrauch von Energie, Vergeudung von Wasser, Verschwendung von Lebensmitteln – all das trägt zu den Umweltproblemen bei. Auch wenn die Zusammenhänge nicht eindeutig nachgewiesen werden können, die Erderwärmung ist Fakt. Die Ausbreitung der Wüsten ebenso.

Tiefsitzende Befürchtungen über die Folgen des eigenen Lebensstils

Natürlich trägt niemand für sich allein die Schuld daran. Aber tief im Herzen weiß man, dass alles was man tut, Folgen hat. Vielleicht hat die Klimaanlage im eigenen Auto wirklich etwas mit den vielen anderen Faktoren zu tun, die über das Klima bestimmen. Der Spruch „Nach mir die Sintflut“ deckt auf, was man befürchtet: bestraft zu werden für das Leben, so wie man es führt. Wer den Spruch anklagend führt, der will andere wachrütteln für die Folgen, die das eigene Leben für die Umwelt hat. Und wer es nur so im Spaß sagt, wenn er mal über die Stränge schlägt, der verdrängt damit vielleicht seine tiefsitzenden Befürchtungen.

Einige Naturkatastrophen sind Folgen menschlichen Handelns 

Auf jeden Fall zeugt dieser Spruch nicht vom Vertrauen auf Gott. Es wird nach Gottes Willen keine Sintflut mehr geben. Naturkatastrophen sind keine Strafe Gottes, sondern oft die Folgen menschlichen Handelns.

Vertrauen auf Gott

Die Sintflutgeschichte ist eine Geschichte der Rettung: Die Hoffnung daraus ist doch, friedfertig zu leben. Eben nicht zu handeln, als ob jeder Tag der letzte wäre. Sondern darauf zu vertrauen, dass Gott diese Welt erhält und auch das eigene Leben trägt. Gott will Hoffnung und Frieden für diese Welt und ihre Bewohner. Wer auf Gott vertraut, macht diese Erfahrung: So, wie Noah in der Arche geborgen war, so führt Gott einen durch die Stürme des Lebens. Daran erinnert die Sintflutgeschichte jede Generation von Kindern, die neu dieses große hölzerne Schiff entdeckt. Im Spiel sorgen die Kinder dafür, dass wirklich jede Tierart in der Arche Platz findet. Wenn die Erwachsenen das auch tun, hätte der Spruch „Nach mir die Sintflut“ ausgedient.

[Pfarrerin Ksenija Auksutat]

Quelle: Andacht „Sonntagsgedanken“ für den Hessischen Rundfunk

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