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Zukunft der Kirche

EKD-Präses und Bischof Kohlgraf loten Zukunftsperspektiven der Kirchen aus

Bildquelle: EKD, Peter BongardAnna-Nicole HeinrichEKD-Präses Anna-Nicole Heinrich geht davon aus: „Wir haben viele junge Menschen in der Kirche, die sich engagieren, dieses Engagement aber nicht an die große Glocke hängen.“

Der Mitgliederrückgang macht evangelischer und katholischer Kirche zu schaffen. Wie können die Kirchen dieser Entwicklung begegnen? Darüber sprachen die EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich und Bischof Peter Kohlgraf in einer Diskussionsrunde in Worms. Die Moderation des Gesprächs hatte der hessen-nassauische Präses Dr. Ulrich Oelschläger. Präses Heinrich zeigte sich zuversichtlich, dass die Kirchen auch weiterhin ein gesellschaftlich relevanter Player blieben. Sie deutete aber auch an, "dass wir nicht mehr alles machen."

Der Blick auf sinkenden Mitgliederzahlen der großen Kirchen in Deutschland löst bei einigen Menschen Besorgnis aus. Anna-Nicole Heinrich, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, (EKD) bleibt zuversichtlich. Sie plädierte dafür, dass man die Kirchen nicht kleiner reden solle, als sie seien. „Ich glaube, wir sind trotzdem noch ein gesellschaftlich relevanter Player, und geringere Mitgliederzahlen heißt nicht, dass wir weniger wirksam sind.“ Gegenwärtig tourt sie vier Wochen quer durch Deutschland und hat dabei die Erfahrung gemacht: „Mir wurde noch nirgends die Tür vor der Nase zugeschlagen, als ich sagte, dass ich zur evangelischen Kirche gehöre.“ 

Ihre Haltung hatte Präses Heinrich während der Podiumsdiskussion „Hier stehe ich. Wo stehen Kirchen heute?“ in Worms am 12. September 2021 vertreten. Dabei diskutierte Anna-Nicole Heinrich mit dem katholischen Bischof Peter Kohlgraf. Dr. Ulrich Oelschläger, dem Präses der Synode der EKHN, moderierte das Gespräch. Veranstalter war der Freundes- und Förderkreis der Nibelungenfestspiele.

Erfolgreiche kirchliche Angebote ins Bewusstsein bringen

Bischof Kohlgraf äußerte sich ebenfalls zum Thema Mitgliederentwicklung: „Ich will das Thema nicht schönreden. Es geht darum, auch weiterhin präsent zu sein. Allerdings sind wir als Kirche nicht immer offensichtlich, etwa im Hinblick auf Einrichtungen der Caritas oder der Telefonseelsorge, die gerade während der Corona-Pandemie sehr gefragt waren und sind.“ Der katholische Bischof befürchtet, dass die Kirchen den Trend nicht umkehren könnten, sie müssten aber kreativ und innovativ in die Gesellschaft hineingehen. Bischof Kohlgraf unterstrich: „Die Menschen sind nicht mehr automatisch katholisch, Begründungen sind gefragt, aber wir haben diese guten Gründe.“ 

Engagement vieler junger Leute in der Kirche

Zu der Frage, wie es gelingen könne, mehr junge Menschen in die Kirche zu bekommen, betonte Heinrich: „Wir haben viele junge Menschen in der Kirche, die sich engagieren, dieses Engagement aber nicht an die große Glocke hängen.“ Bischof Kohlgraf stellte klar: „Wir machen nicht den Glauben. Wir bieten den Glauben an, und müssen auch damit leben, dass sich junge Menschen auf andere Wege begeben.“

Stärkere Vernetzung von evangelischer und katholischer Kirche vorgeschlagen

Zur Frage von Dr. Oelschläger, was sich die Kirchen künftig noch leisten könnten, etwa im Hinblick auf Kitas und Schulen, sagte der Bischof des Bistums Mainz: „Wir werden uns gute Kitas auch in Zukunft leisten. Wir arbeiten gerade an Qualitätsstandards.“ Dabei würden verschiedene Aspekte berücksichtigt. Präses Heinrich stellte klar: „Wir werden nicht untergehen, wenn wir nicht mehr alles machen.“ Im Hinblick auf die Zukunft der Kirchen betonten beide, dass es sinnvoll sei, sich noch stärker zu vernetzen und besonders in der Spezial-Seelsorge noch mehr als bisher zusammenzuarbeiten. Naheliegend sei dies etwa auch bei Einrichtungen wie Kitas. Zudem könne man Gebäude wie Pfarrzentren künftig gemeinsam nutzen oder noch mehr ökumenische Beratungsdienste anbieten.

Umgang der neuen Präses mit hohen Erwartungen

Anna Nicole Heinrich, eine Regensburger Philosophiestudentin, wurde im Frühjahr 2021 mit 25 Jahren zur bislang jüngsten Präses in der Geschichte der EKD gewählt. Künftig wird sie somit die Synode der EKD leiten. Gleich zu Beginn Diskussion wurde sie von Dr. Oelschläger mit dem Inhalt einer Karikatur konfrontiert, in der es darum ging, dass von ihr erwartet werde, dass sie als neue Präses die Kirche wiederbeleben möge. „Da hängt mir die Latte jetzt zu hoch“, antwortete Heinrich. Sie habe nicht auf alle Fragen eine Antwort, aber oft sei es schon hilfreich, selbst Fragen zu stellen. Sie verwies auf drei Hashtags als Impulse, die sie geben will: #Hinausgeheninsweite, #Wagemuttutgut und #Manmussauchgönnenkönnen. Unter dem #Präsestour ist Heinrich derzeit mit dem Zug unterwegs, von Flensburg nach Freiburg, um neue Netzwerke für die Kirche zu knüpfen.

Gute Erfahrungen mit der Frauenordination in der evangelischen Kirche

Angesprochen auf die Rolle von Frauen in der Kirche, sagte Kohlgraf: „Die Sache ist nicht vom Tisch, die Diskussionen sind da, und wir brauchen andere Begründungsmuster, mit einem ‚Basta‘ ist es nicht getan.“ Darauf entgegnete Heinrich ihm: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Frauenordination.“ Die Präses sagte, es würde sie immer wieder beeindrucken, mit welcher Inbrunst Frauen katholische Theologie studierten, obwohl sie doch davon ausgehen müssten, „immer gegen Mauern zu laufen, wenn sie in dem Laden bleiben.“ Bischof Kohlgraf betonte daraufhin: „Wir hätten gerne mehr Frauen in qualifizierten Leitungspositionen in der Kirche. Da müssen wir ran.“ Moderator Dr. Oelschleger bemerkte, dass es auch in der evangelischen Kirche noch nicht lange eine Frauenordination gebe: „Die erste Frauenordination in Deutschland war eine Rabbinerin, Regina Jonas, im Jahr 1935.“

Aussage über Möglichkeit der Kommunion bei konfessionsverschiedenen Ehepaaren

Bischof Peter Kohlgraf wurde von Dr. Oelschläger mit seinen Vorgängern konfrontiert, etwa mit Bischof Albert Stohr, der sich etwa gegen konfessionsverbindene Ehen gestellt habe. Bischof Kohlgraf sagte im Hinblick auf die heutige Haltung: „Wir stellen es in die religiöse Gewissensfreiheit der Einzelnen, ob Paare in konfessionsverbindenen Ehen als Hauskirche gemeinsam zur Kommunion gehen.“

Mit Begegnungsmöglichkeiten weiter wachsendem Antisemitismus vorbeugen

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wie dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland begegnet werden könne. Bischof Kohlgraf sagte dazu: „Es ist wichtig, das Thema wahrzunehmen und zu benennen.“ Darüber hinaus seien persönliche Begegnungen essentiell. Er ergänzte: „Das Judentum prägt die Städte, ist eine lebendige Religion und gehört zum Reichtum religiösen Lebens.“ Heinrich betonte, es sei wichtig, Menschen persönlich miteinander in Kontakt zu bringen: „Wenn sich Jugendliche mit jüdischen Jugendlichen treffen, können sie erfahren, was es bedeutet, heute mit jüdischem Glauben in Deutschland zu leben.“

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