Bundestagswahl
Gretchenfrage an Parteien: „Nun sagt, wie habt ihr’s mit der Religion?“
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19.09.2013
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Ihre Ideen zur berühmten Frage „Nun sagt, wie habt ihr’s mit der Religion?“ haben die Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, in ihren Grundsatzprogrammen festgehalten. Dabei äußern sie sich auf ganz unterschiedliche Weise zu Kirche und Religion: Für die SPD ist die Kirche ein wichtiger Partner auf dem Weg zu einer besseren Gesellschaft. Von der herausragenden Rolle von christlichen Kirchen ist die CDU überzeugt. Demgegenüber steht Die Linke mit einem einschneidenden Ziel: Sie möchte die Kirchensteuer abschaffen. Auch die Grünen suchen die Kontroverse: Sie fordern, das kirchliche Arbeitsrecht abzuschaffen. Und auch beim Thema Religionsunterricht sind die Parteien zum Teil unterschiedlicher Auffassung. Während er für die CDU in den Fächerkanon gehört und die FDP der Ausbildung von muslimischen Geistlichen und Religionslehrern zustimmt, stellen die Grünen die Frage, ob Religionsunterricht in Gebieten mit wenigen Christen nach wie vor konfessionell getrennt sein muss.
Der Parteien-Check
Welche Haltung vertreten die Parteien zu Kirche und Religion?
CDU
Kirchen leisten einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwesen.
Christlichen Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände spielen in vielen Bereichen der Gesellschaft eine herausragende Rolle.
Kirchliche Aktivitäten fördern die Solidarität vor Ort.
SPD
In den Kirchen arbeiten viele für ein solidarisches Miteinander.
Kirchen sind wichtige Partner auf dem Weg zu einer besseren Gesellschaft.
FDP
Staat und Religionsgemeinschaften arbeiten nach dem Kooperationsprinzip zusammen.
Staat und Kirchen sind je eigenständig und zugleich im Sinne des Gemeinwohls aufeinander bezogen.
Kirchen leisten einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung des Zusammenlebens in der Gesellschaft.
GRÜNE
Soziale Dienstleistungen werden oft von gemeinnützigen Trägern, von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden erbracht.
DIE LINKE
Kirchen werden als Gesprächspartner gesehen, z.B. beim Thema Ungleichheit bei Einkommen.
Kirchensteuern sollen abgeschafft werden, die Kirchen sollen dafür den Mitgliedsbeitrag selbst einsammeln.
Verfassungen sollen keine religiösen Bezüge aufweisen.
Religiöse Sonderregelungen sind zu überprüfen (Blasphemiegesetz und Feiertagsgesetze), inwieweit sie zur Wahrung der religiösen Empfindungen von Angehörigen der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften erforderlich sind.
Was sagen die Parteien zum Religionsunterricht?
CDU
Religionsunterricht gehört in den Fächerkanon.
Wer Abschaffung des konfessionsgebundenen Religionsunterrichts fordert, ebnet den Weg zu einer Aushöhlung der für unsere Gesellschaft prägenden christlichen Werte. Andere Unterrichtsinhalte wie Philosophie oder Ethik sind kein Ersatz für den Religionsunterricht und erfüllen schwerlich den Auftrag unseres Grundgesetzes.
Die Partei tritt auf Grundlage der Verfassung auch für islamischen Religionsunterricht an den Schulen ein.
SPD
Ein SPD-Sprecher äußert sich auf Anfrage, da sich im Grundsatzprogramm keine Angaben finden: „Religionsunterricht leistet […] einen wichtigen Beitrag zur religiös-ethischen Orientierung, zur allgemeinen Wertebildung und zur Kenntnis verschiedener Konfessionen und Religionen – gerade in Zeiten sich verändernder Religiosität und religiöser Vielfalt in Deutschland.
Die SPD steht zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht auf der Basis des Grundgesetzes und zur Umsetzung des Religionsunterrichts in föderaler Verantwortung der für die Schulpolitik zuständigen Bundesländer, je nach den entsprechenden Abkommen der Länder mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften und unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen konfessionellen und religiösen Gegebenheiten.“
FDP
Der Religionsunterricht kann an staatlichen Schulen stattfinden, unter der Voraussetzung, dass er generell in das Wertesystem des Grundgesetzes eingebettet ist.
Muslime sind Teil der deutschen Gesellschaft. Das muss sich auch im Schulunterricht widerspiegeln. Der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht soll selbstverständlich in deutscher Sprache an den Schulen erteilt werden.
GRÜNE
Josef Winkler, Sprecher für Kirchenpolitik und interreligiösen Dialog, äußert sich, da es im Grundsatzprogramm keine konkreten Angaben gibt: „Die Entscheidung der Verfassungsgeber zugunsten des konfessionellen Unterrichts war nach dem Zweiten Weltkrieg logisch, weil die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik zu fast 100 % Mitglied einer christlichen Kirche waren. Trotz abnehmender Mitgliedszahlen ist er auch heute noch angemessen, weil er eine kritische Einübung in die eigenen Glaubensgrundlagen darstellt.“
„Jedoch stellt sich in Gebieten mit wenigen Christen die Frage, ob ein solcher getrennter Unterricht eher zu Separation führt. Hier diskutieren die Grünen vor Ort durchaus auch Weiterentwicklungen hin zu einem gemeinsamen Fach Ethik o.ä..“
„Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass auch muslimische Schüler konfessionellen Religionsunterricht erhalten, wie er in Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz vorgesehen ist. Dies ist eine Konsequenz aus der Forderung nach rechtlicher Gleichstellung des Islam.“
DIE LINKE
Unterricht ist im Rahmen des Bildungsauftrages des Staates durch staatlich anerkannte Lehrkräfte zu leisten, unabhängig von kirchlicher oder religionspolitischer Einflussnahme.
Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen.
Was sagen die Parteien zum kirchlichen Arbeitsrecht?
CDU
Zahlreiche Leistungen kirchlicher Einrichtungen für unser Gemeinwesen sind nur möglich, weil die Kirchen im erheblichen Umfang eigene Mittel beisteuern und Kirchenmitglieder sich ehrenamtlich engagieren.
Der Staat unterstützt zu Recht diese kirchlichen Dienste umfangreich.
Die Partei plädiert dafür, dass die kirchliche Prägung der entsprechenden Einrichtungen geachtet wird, die auch im kirchlichen Arbeitsrecht zum Ausdruck kommt.
SPD
Die Grenze des Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts der Kirchen muss von den Grundrechten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer her bestimmt werden und nicht umgekehrt.
Gleiche Arbeitnehmerrechte für die Beschäftigte bei Kirchen sind vereinbar mit dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht.
Das Streikrecht ist elementares Grundrecht aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und muss auch im kirchlichen Bereich gelten.
Tarifverträge zu verhandeln und frei in der Wahl der Mittel zu ihrer Durchsetzung zu sein, sind also mit dem so genannten Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht vereinbar.
FDP
Stefan Ruppert, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der FDP-Bundestagfraktion, äußerte sich auf Anfrage, da das Programm keine Angaben macht: „Wir sind uns des gesellschaftspolitischen Mehrwerts der kirchlichen Wohlfahrtsverbände bewusst. Die Eigenständigkeit der Kirchen im Arbeitsrecht ist eine Ausprägung der kollektiven und korporativen Glaubensfreiheit und des grundgesetzlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Die Judikatur deutscher und europäischer Gerichte stellt diese Autonomie nicht grundsätzlich in Frage. Das EU-Antidiskriminierungsrecht sieht ebenfalls zulässige Ausnahmen für Religionsgemeinschaften vor.“
„Die Zwänge der Ökonomisierung nehmen auch im sozialen Sektor zu. Wir streben eine differenzierte und sachgerechte Betrachtungsweise an und wollen pauschalisierende Verurteilungen vermeiden. Wir erwarten, dass die Kirchen als Arbeitgeber ihrem hohen moralischen Anspruch, etwa der Dienstgemeinschaft, gerecht bleiben."
GRÜNE
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen unterliegen den Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, damit stehen ihnen wesentliche ArbeitnehmerInnenrechte nicht zu.
Loyalitätsanforderungen der ArbeitgeberInnen auch außerhalb von Verkündigungsbereichen, die sich auf die private Lebensführung seiner MitarbeiterInnen beziehen, passen nicht in eine demokratische Gesellschaft.
Die Partei will mit den Kirchen, den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlich Beteiligten in einen Dialog treten, damit sich die Situation der Beschäftigten verbessert.
Sie will, dass die kirchlichen MitarbeiterInnen außerhalb der Verkündigungsbereiche die gleichen Rechte bekommen wie andere ArbeitnehmerInnen auch.
Die Partei strebt an, für sämtliche Beschäftigungsverhältnisse jenseits des Bereichs der Verkündigung das kirchliche Arbeitsrecht abzuschaffen.
Sie fordert das Recht zur Bildung von Betriebsräten und das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit einschließlich der Streikfreiheit.
Sie will das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit dem Ziel ändern, dass seine Bestimmungen wie in anderen Tendenzbetrieben auch - auf Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen Anwendung finden.
DIE LINKE
Das Streikrecht ist unteilbar – das gilt auch für die Beschäftigten in Kirche, Diakonie und Caritas.
Die Partei fordert, dass Beschäftigte kirchlicher Einrichtungen die gleichen Rechte bekommen wie alle anderen Beschäftigten.
Sie bezeichnen das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht als materiell schlechter.
Die Partei fordert, das Betriebsverfassungsgesetz müsse uneingeschränkt für die Kirchenbeschäftigten gelten.
Sie sagt, dass kirchliche Einrichtungen, die öffentliche Zuschüsse empfangen, für alle als Beschäftigte sowie Nutzerinnen und Nutzer zugänglich sein müssen.
Sie sagt, das Arbeitsrecht müsse sicherstellen, dass ein aus der Sicht der Kirchen „fehlendes privates Wohlverhalten“ nicht zur Grundlage von Kündigungen in kirchlichen Einrichtungen und Betrieben gemacht werden darf.
Sie fordert das Streikrecht und ein Betriebsverfassungsgesetz.
Sie will Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund ihrer Lebensumstände oder ihrer Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit in Bereichen, die nicht unmittelbar der Religionsausübung dienen, gesetzlich verhindern.