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1968er-Bewegung

Konfliktforscher: Gewaltfreie Proteste gut für eine Gesellschaft

Wegmann/BundesarchivStudentenprotest vor dem Ehrenmal in Bonn am 31. Mai 1968

Die Studentenbewegung der 1968er Jahre hat die BRD geprägt. Sie hat der Gesellschaft gezeigt, dass Konflikte nicht als Krieg ausgetragen werden müssen, so der Fachmann.

Die Studentenproteste der 1968er Jahre haben insgesamt zur positiven Entwicklung der Bundesrepublik beigetragen - so sieht es der Marburger Konfliktforscher Thorsten Bonacker. „Konflikte, so lange sie gewaltfrei bleiben, sind zentral für eine Demokratie“, sagte der Soziologe in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). 1968, also vor 50 Jahren, war das Jahr der Studentenunruhen, der Attentate auf Martin Luther King und Robert Kennedy sowie der Niederschlagung des „Prager Frühlings“.

Oft würden Konflikte negativ bewertet. „Aber die Studentenbewegung hat gezeigt: Durch die Austragung von Konflikten kann sich sozialer Wandel vollziehen.“ Die Auseinandersetzungen der 60er Jahre brachten eine „erste große Liberalisierungswelle“, und zwar für fast alle westlichen Gesellschaften, wie Bonacker betonte. Die Forderungen der 68er nach Demokratisierung und Reformen trafen auf eine „verkrustete Gesellschaft“, die mit dem Freiheitsdrang der Jugend konfrontiert wurde - insofern erkenne er durchaus Parallelen zum Arabischen Frühling, den Protesten in einigen Ländern der arabischen Welt ab dem Jahr 2010.

Mehrheitsgesellschaft fühlte sich stark herausgefordert

Deutschland um 1968 bildete Bonacker zufolge eine Nachkriegsgesellschaft, die „Konflikt immer mit Krieg assoziierte“. Deshalb habe sich die Mehrheitsgesellschaft von den Studentenprotesten „stark herausgefordert gefühlt, sonst wäre es eine Hörsaal-Bewegung geblieben“. Denn von den Zahlen her waren die Proteste keine Massenbewegung, sondern „sehr überschaubar“, ganz anders als später die großen Demonstrationen gegen den Nato-Doppelbeschluss. „Die 68er waren nur die ersten, die protestierten“, sagte der Wissenschaftler.

Aktuell viele konservative und liberale Positionen

Diese 1968er-Generation, die lange an den Schaltstellen in Politik und Gesellschaft wirkte, trete jetzt ab „und blickt auf ihr Vermächtnis zurück“. Die aktuelle politische Situation sieht Bonacker nicht mehr in direktem Zusammenhang zu den linken Studentenprotesten. „Wir erleben zwar, dass konservative Stimmen in einigen Bereichen lauter werden.“ Aber schon Ende der 1960er Jahre habe es konservative Gegenreaktionen gegeben. Derzeit sieht der Forscher „sehr konservative und sehr liberale Positionen“, zum Beispiel in der Diskussion um Ehe und Familie.

Bonacker: „Die Liberalisierung endet nicht, weil die AfD in den Bundestag eingezogen ist. Wir erleben nur wieder eine stärkere politische Debatte, und das ist nicht schlecht. Wenn wir eine lebendige Demokratie wollen, gehört der Konflikt dazu.“

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