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1968

Opposition in der Kirche

Volker Rahn / ekhnFrankfurt am Mian, DominikanerklosterDie Synode der EKHN tagt in der Regel im Frankfurter Dominikanerkloster

„Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die 68er-Bewegung auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau geprägt hat,“ stellt Kirchenpräsident Volker Jung fest. Zwischenzeitlich habe es Ende der 60er Jahre sogar eine „Außersynodale Opposition“. Gegeben. Wir haben den Kirchenpräsidenten befragt.

Herr Jung, hat die 68er Bewegung auch Auswirkungen auf die Kirche gehabt?

Der von Anfang an gesellschaftspolitisch sehr pointiert agierende erste Kirchenpräsident Martin Niemöller stand unter anderem mit Rudi Dutschke im kritischen Austausch. Als Dutschke an Weihnachten 1979 an den Spätfolgen des Anschlags auf ihn starb, gab Niemöller ihm das eigentlich für ihn selbst vorgesehene Grab. Es liegt direkt an der St. Annen-Kirche in Berlin-Dahlem, an der Niemöller bis zu seiner Verhaftung durch die Nazis 1937 selbst Pfarrer war.

Frankfurt, mitten im Kirchengebiet, war ja auch einer der Hauptschauplätze der 68er.

Stimmt. Man kann zu Recht sagen, dass Frankfurt neben Berlin der wichtigste Kristallisationspunkt der 68er Bewegung in Deutschland war. Gallionsfiguren wie  Theodor W. Adorno und Max Horkheimer lehrten hier und begründeten die Frankfurter Schule. Die war für viele die denkerische Basis ihres Protestes.

Was bleibt denn heute von den 68ern?

Heute, in einer Zeit der oft einfach dahingeworfenen Fake News wäre eine Rückbesinnung auf die Diskussions- und Streitkultur wichtig, wie sie damals eingefordert und geprägt wurde. Die Auseinandersetzung mit Fragen der Gesellschaft war außerdem meistens auch intellektuell anspruchsvoll. Die 68er-Bewegung hat am Ende sicher dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft sich als demokratische, offene und plurale Gesellschaft weiterentwickelt hat. Sehr problematisch und letztlich menschenverachtend war, dass der Veränderungswille sich bei einigen bis in terroristische Gewalt gesteigert hat, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Damit verbinde ich auch die Erinnerung an bedrückende Zeiten in meiner Jugend. Das ist die große Schattenseite des 68er Protests.

Und in der Kirche?

Tatsächlich entwickelte sich die hessen-nassauische Kirche ab 1968 noch stärker zu einer Kirche, die gesellschaftliche Fragen aufnimmt und dazu Position bezieht. Sie verstand und versteht es bis heute als Teil ihres christlichen Auftrages, in dieser Gesellschaft Stellung zu beziehen – vor allem, wenn es um Fragen der Gerechtigkeit, der Bewahrung der Schöpfung und des Friedens geht. Deshalb stellt sie auch immer wieder die Frage nach der Menschenwürde und den Menschenrechten ins Zentrum. Dass wir uns schon früh mit strittigen Fragen wie etwa dem Bau der Startbahn West, der Apartheid in Südafrika, der Aussöhnung mit dem Judentum oder der Segnung von gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auseinandergesetzt haben hat - nicht nur, aber auch - mit dem Einfluss der politischen 68er Generation auf unsere Kirche zu tun.

Die Fragen stellte Volker Rahn.

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