Notfallseelsorge
Notfallseelsorge auch bei Großereignissen
Dirk Ostermeier / NFS-MTK
20.12.2016
hag
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Bei einem Großereignis wie in Berlin am 19.12.2016 wäre die Notfallseelsorge in Hessen und Rheinland-Pfalz innerhalb von 20 Minuten im Krisenstab vertreten, schätzt Pfarrer Heiko Ruff-Kapraun von der Darmstädter Notfallseelsorge. Erste Notfallseelsorger würden eine halbe Stunde danach am Unglücksort sein. Eine Stunde nach dem Ereignis wären 20 bis 30 Notfallseelsorger bei den geschockten und beunruhigten Menschen an der Unglücksstelle und an den Absperrungen.
Unglücke werfen Menschen aus dem sicheren Alltag
„Als erstes schaffen wir ruhige Orte, wo die beunruhigten Menschen über das Gesehene und Erlebte sprechen können.“ Damit meint der Notfallseelsorger nicht nur betroffene Angehörige und Freunde, sondern auch andere, die dieses Ereignis aufwühlt. Schon bald stünden da die ersten Kerzen. Schilder würden aufgestellt. „Wir helfen eine Gedenkstelle zu schaffen, damit Menschen ihre Gebete und Gedanken ablegen können.“
Immer bedenke die Notfallseelsorge, dass Menschen sich einem solchem Thema langsam näherten. Sie könnten zwar auch zu Hause fernsehen oder im Internet surfen, „aber sie wollen miteinander reden“. So schaffe die Notfallseelsorge „Kirche“ in diesen Gedenkstellen. „Wir lassen sie die Botschaft wissen, dass Gott bei den Menschen wohnt, und unsere Wege und Gedanken begleitet,“ sagt Pfarrer Heiko Ruff-Kapraun. „Wir beten für die Helfer und wir beten für die Verletzten.“
Zum Begreifen gehört es, an den Ort zu gehen
Wenn in Berlin auch am Tag danach Menschen an den Absperrungen stehen, dann versuchten sie, sich dem Unglück zu nähern. „Sie wollen wissen, wie dieses Ereignis in die eigene Lebensführung passt.“ Die Menschen seinen total verunsichert und wollen reden. So käme es zu neuen Solidaritäten zwischen den Menschen an den Absperrungen. „Viele fragen sich: soll ich jetzt einkaufen oder soll ich in die Kirche gehen?“ Der Mensch wolle zur Normalität zurück und frage sich, wie jetzt die eigenen Weihnachtskarten aussehen können, währen der Lichterglanz fortgeführt werde. „Die Menschen wollen sich sicher fühlen.“ Die Krippe in Bethlehem habe zwar ein Dach gehabt, aber die Situation sei auch sehr verletzlich gewesen.
Notfallseelsorge hilft, Momente zu überbrücken
Im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gibt es 22 regionale Systeme der Notfallseelsorge mit jeweils rund 40 Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorgern. Damit 20 bis 40 Seelsorger schnell am Einsatzort sind, müsse man überregional handeln, sagt Pfarrer Andreas Mann, der Beauftragte für die Notfallseelsorge in der EKHN. Größere Notfallereignisse würde ein einzelnes Team zu sehr belasten.
Die Stärke der Notfallseelsorge sei es, „Momente zu überbrücken“. Dazu gehöre es auch, im Auftrag der Polizei Todesnachrichten an Angehörige zu überbringen. Die Notfallseelsorger seien ganz speziell für die schnelle Hilfe bei Unglücksfällen, auch Anschlägen, ausgebildet. „Persönliche Daten nehmen wir auf Wunsch auf und übergeben die langfristige Trauerbegleitung an Psychologen und Psychiater, an Pfarrerinnen und Pfarrer in Kirchengemeinden, wo dies möglich ist." Eine Ausnahme sei der Germanwings-Absturz und die Love Parade. „Nach diesen Ereignissen begleiten bis heute Notfallseelsorger Menschen in ihrer Trauer.“ Muslime würden meist gut begleitet durch ihre Familien. In Städten wie Berlin gäbe es schon muslimische Notfallbegleitung.