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Orgel-Ausflug

Reise zur „Königin der Instrumente“

Benjamin GailPetra Denker spielt in Schönbach

Zum „Jahr der Orgel 2021“ haben fünf Kirchenmusiker am „Tag der Orgel“ zu einem Orgel-Ausflug durch das Evangelische Dekanat an der Dill eingeladen. So hat es in Schönbach, Breitscheid, Burg und Herbornseelbach kleine Orgelkonzerte zu verschiedenen Zeiten in den Kirchen gegeben. Die Konzerte waren wie die Instrumente ganz unterschiedlich...

Bildergalerie

 

VON BENJAMIN GAIL

 

Etliche Besucher ließen sich es sich nicht nehmen, bei sonnigem Wetter alle vier Kirchen aufzusuchen, um die Orgeln dort näher kennenzulernen. Aufgrund der Corona-Pandemie galten besondere Hygiene-Bestimmungen. Es durfte nur eine bestimmte Anzahl von Besuchern in die Kirchen.

Uraufführung in Schönbach

In der Evangelischen Kirche Schönbach hat Pfarrerin Susanne Klein-Gessner am Nachmittag etwa vierzig Besucher vor der „Königin der Instrumente“ begrüßt. Die Schönbacher Orgel war ursprünglich gar nicht für die Kirche hier vorgesehen. Ursprünglich stand diese schöne Barock-Orgel mit den zahlreichen Engelsputten im einstigen Jagdschlösschen Neuhaus zwischen Donsbach und Burg. Erst 1762 kam die Orgel als Aufkauf in die Schönbacher Kirche.

Die barocke Orgel mit den Engelsputten erinnert optisch an die Orgel in der Dillenburger Stadtkirche. Propsteikantorin Petra Denker, die in Dillenburg die Orgel spielt, eröffnete den Orgelausflug in Schönbach mit Werken von Bruhns, Sweelinck und Mendelssohn. Zum Abschluss des 40minütigen Konzertes spielte sie in Schönbach eine Uraufführung: Die Toccata piccola von Bernhard Herzog (*1999), die als Auftragswerk zum Deutschen Orgeltag am 12. September 2021 komponiert worden ist.

Breitscheid: Duo präsentierte Orgel im Wechsel

An der zweiten Station des diesjährigen Orgel-Ausflugs haben Organist Sebastian Köhler aus Bicken und Dekanatskantorin Andrea Zerbe wenig später das barocke Instrument von 1789 in der Evangelischen Kirche Breitscheid erklingen lassen. Sie spielten im Wechsel Werke von Franz Tunder (1614 – 1667) "Präludium g-Moll", Dietrich Buxtehude (1687 – 1709) "Toccata, Fuge und Ciacona C-Dur" und Paul Kickstat (1893 – 1959) Choralpartita zu „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.

„Der barocke Orgelprospekt in Breitscheid ist original erhalten geblieben“, sagte Dekanatskantorin Andrea Zerbe, „das Instrument zeigt, was in den zurückliegenden 200 Jahren passiert ist, denn längst ist neben dem barocken Orgelgehäuse eine moderner Orgel-Anbau in den 1950er Jahren erfolgt, die von Förster & Nicolaus aus Lich gebaut wurde“, sagt Andrea Zerbe. Sie spielte in Breitscheid eine Improvisation verschiedener Segenslieder. Das kleine Konzert endete hier mit einem von Sebastian Köhler gespielten Choral, bei dem das Publikum - wenn auch mit Mund-Nasenschutz - mit einstimmen durfte.

Musikerin brillierte an kleiner Orgel in Burg

Der „Orgel-Ausflug“ war im Grunde auch für die Kirchenmusiker eine Orgel-Entdeckung: Die Organisten haben ihre reguläre Orgelbank mit einer ihnen vorher völlig unbekannten Orgel getauscht. Miyoung Jeon, die Kirchenmusikerin, die sonst in der Margarethenkirche Ewersbach spielt, entlockte der kleinen Burger Orgel eine besondere Klangvielfalt. Bereits das Vorspiel zum Choral „Großer Gott wir loben dich“ ließ erahnen lassen, wie kreativ und vielfältig die weiteren Klangbeispiele sein würden.

"Die Orgel in Burg ist eine Orgel mit Zungenregister", sagt Miyoung Jeon, damit sind Pfeifen gemeint, die platzsparend verbaut wurden und einen eher rauen Klang haben. Hinter den Zinnglänzenden Prospektpfeifen verbergen sich insgesamt 482 Pfeifen. Sie spielte auf der Orgel aus dem Jahre 1963 mit Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) "Fantasie in g-Moll (BWV 542)", Girolamo Frescobaldi (1583 – 1643) "Capriccio pastorale" und von Nicolaus Bruhns (1665 – 1697) das “Große Praeludium und Fuga in e-Moll" ein extrem spannendes, anspruchsvolles Programm. Die Musikerin brillierte mit diesen klassischen Werken an der dritten Station.

„Süße Flöte“ und jazzige Töne in Herbornseelbach

Den Schlusspunkt des Orgel-Ausflugs setzte Regina Zimmermann-Emde in Herbornseelbach am frühen Abend mit einem kammermusikalischen Programm. Sie spielte in der lichtdurchfluteten Herborn-Seelbacher Kirche auf einer völlig überarbeiteten Orgel aus dem Jahre 1975. Die Orgel war ursprünglich eine Rassmann-Orgel. Sie wurde 1884 von Gustav Rassmann gebaut. Der Orgelporospekt und die alten erhaltenen Register mit eher süßklingenden Flöten stehen heute unter Denkmalschutz. Sie spielte Werke von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) "Triosonate C-Dur (BWV 529)", einem „Übe-Stück“ für den Sohn. Die klangliche Besonderheit an dieser dreistimmigen Sonate ist das Spiel mit der rechten und linken Hand sowie mit dem Pedal. Es bedeute eine extreme Koordinationsleistung für die Organisten. Mit einer zeitgenössischen Komposition von Zsolt Gárdonyi (*1946) "zu Mozart Changes" spielte die Kantorin als Kontrapunkt ein eher jazziges Stück. Der Orgel-Ausflug am „Tag der Orgel“ endete mit einem Schusschoral zu „Bleib bei mir Herr, der Abend bricht herein (EG 448)“, bei dem die Konzertbesucher mit Masken mitsingen durften.

Der „Orgel-Ausflug“ bot den Konzertbesuchern ein sehr dichtes Programm und eine schiere Klangvielfalt in den unterschiedlichen Kirchen. Ein stabiler Kern an Besuchern hatte sich alle vier Konzerte angehört und ist den kompletten Ausflug mitgefahren. Die musikalischen Programme waren vielfältig und für die Zuhörer abwechslungsreich gestaltet.

Nachdem die Voranmeldung anfangs so schleppend anlief, war der Besuch dann bei allen vier Konzerten letzten Endes sehr gut – das zeigt, dass das Format „Orgelausflug“ angenommen wurde, resümiert Dekanatskirchenmusikerin Andrea Zerbe. Sie dankte allen Beteiligten für das diesjährige Programm.

 

 

» Unsere Fotos:

Unter den Engelsputten spielte Coronakonform bei offenen Fenster Petra Denker an der Schönbacher Orgel.

Sebastian Köhler spielt sonst in Bicken, diesmal tauschte er die Orgelbank mit Breitscheid.

Miyoung Jeon brillierte in Burg mit klassischen Werken: Sie spielte ein extrem spannendes, anspruchsvolles Programm.

Regina Zimmermann-Emde spielte in Herbornseelbach zum Abschluss des „Orgel-Ausflugs“.

FOTOS: Benjamin Gail/Dekanat

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