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Digitale Gegenwart

Jesus-Geschichten auf Youtube - und beten mit Alexa

Quelle: © 2019 Getty Images, rclassenlayoutsSprachassistentenSprachassistenten im Alltag zu Hause: Können sie auch die persönliche Glaubenspraxis mitgestalten?

Alt und verstaubt? Beim Blick auf Angebote der evangelischen Kirche, die gesellschaftliche und technologische Entwicklung aufgreifen, sackt dieses Vorurteil in sich zusammen. So ist es für Konfirmanden im hessischen Lich selbstverständlich, dass sie biblische Geschichten mit dem Smartphone kennen lernen. In England können sich Gläubige zu Hause das Tischgebet vom Sprachassistenten Alexa sprechen lassen. Auch in Deutschland setzt sich eine Projektgruppe mit Mitgliedern verschiedener Landeskirchen und Evangelischer Medienhäuser dafür ein, dass über Alexa aufbereitete Glaubensinhalte abgerufen werden können.

Im Bankenwesen, der Logistik und vielen anderen gewerblichen Branchen beeinflusst die Digitalisierung den Berufsalltag. Die ZDF-Sendung „Sonntags – Deutschland verändert sich: Arbeit“ hatte am 10. November 2019 gezeigt, wie die digitale Entwicklung auch die Arbeit eines Pfarrers in einer Kirchengemeinde verändern kann. Aber auch die private Glaubenspraxis zu Hause kann durch den digitalen Service einer Nationalkirche mitgestaltet werden, wie die Church of England mit dem Dienst „Beten mit Alexa“ zeigt. Über den Sprachassistenten präsentiert die Kirche auch Informationen über den Glauben oder den nächst gelegenen Gottesdienst-Ort. Auch in Deutschland möchte eine Projektgruppe evangelischer Kirchen ein Pilot-Projekt voranbringen, das aufbereitete kirchliche Angebote und Inhalte über Alexa zugänglich macht.

Mit digitalen Anwendungen die Gemeindearbeit voranbringen

Wie die Digitalisierung in die Gemeindearbeit einfließt, zeigte ein ZDF-Beitrag am Beispiel der Marienstifts-Gemeinde in Lich. Ihr Pfarrer Lutz Neumeier ist mehrmals am Tag online. Dabei gründet u.a. sein mediales Engagement in der biblische Aussage Jesu:  „Geht hinaus in die ganze Welt und ruft alle Menschen dazu auf, meine Jünger zu werden!“ (Mt 28,19) Laut Lutz Neumeier sei es deshalb wichtig, überall hinzugehen, wo die Menschen seien. Der TV-Bericht zeigt, wie er Bürgerinnen und Bürger in der Stadt zunächst „ganz analog“ trifft, wie er eine ältere Dame zu Hause besucht - und wie er dann am Bildschirm mit anderen kommuniziert. Die digitale Arbeit ist Teil der Gemeindearbeit geworden. Lutz Neumeier zeigt: „Wir sind als Gemeinde auf Facebook aktiv für die Über-25-Jährigen. Auf Instagram sind wir für die Jüngeren da; immer wieder haben wir etwas auf YouTube und privat bin ich auf Twitter unterwegs.“

Medienpädagogische Angebote entwickelt

Um jüngere Leute noch stärker anzusprechen, hat der Pfarrer in der Konfirmanden- und Jugendarbeit neue digitale, medienpädagogische Formate entwickelt: Um sich mit einer biblischen Geschichte auseinander zu setzten, zeichnen die Kursteilnehmenden per Hand die Figuren. Dann bereiten sie digital die Geschichte auf und laden sie als Erklär-Video hoch. Eine der Teilnehmerinnen hat den Eindruck: „Ein solches Video ist in der heutigen Gesellschaft viel schneller sichtbar und schneller zum Verstehen geeignet.“

Pfarrer Lutz Neumeier spricht allerdings auch die Grenzen der Digitalisierung an: So könne er sich in seiner Gemeinde einen vollautomatischen Gottesdienst nicht vorstellen. Installationen wie der Segensroboter könnten dazu dienen, dass die Menschen über die Chancen und Grenzen der Digitalisierung miteinander ins Gespräch kämen. „Aber es ist und bleibt eine Maschine“, so der Pfarrer.

Alexa soll Menschen mit Gott in Verbindung bringen

Auch der Sprachassistent  „Alexa“ ist eine Art Maschine. Diese Technologie soll die Church of England dabei unterstützen, die Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen. Adrain Harris, der Leiter des Digital-Teams der anglikanischen Kirche ist überzeugt: „Wir müssen als Kirche mutig sein, neue Dinge ausprobieren.“  Deshalb kann jetzt auf Englisch mit Alexa gebetet werden. Laut dem Bericht des ZDF sollen im ersten Jahr des Gebets-Angebots 100.000 Anfragen über „Beten mit Alexa“ gestellt worden sein. Ein Teil der Nutzer wirkt begeistert, weil sich die Kirche den aktuellen technischen Entwicklungen nicht verweigere.

Antrag für evangelischen Service bei Alexa gestellt

Worüber das ZDF in dieser Sendung noch nicht informiert hat, berichtet Birgit Arndt, die Geschäftsführerin im Medienhaus der EKHN: „Auch in Deutschland  möchte eine Projektgruppe aus verschiedenen evangelischen Landeskirchen und  evangelischer Medienhäuser sowie das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) dafür sorgen, dass kirchliche Angebote bei Alexa präsent sind.“ Die Initiatoren möchten u.a. aufbereitete Grundinformationen über Evangelisches Leben und den Evangelischen Glauben, aber auch Gebete, Andachten, Glaubens-Zitate, Meditationen und Heavenradio über Alexa zugänglich machen. Zur Finanzierung dieser Angebote wurde im Sommer 2019 ein gemeinsamer Antrag an den Innovationsfonds der EKD gestellt. „Jetzt warten wir auf eine möglichst positive Antwort und sind gespannt, ob wir an dem Projekt weiterarbeiten können“, erklärt Birgit Arndt, die das Projekt gemeinsam mit Hanno Terbuyken vom GEP leitet. Insgesamt bräuchte es für das Pilot-Projekt mit neun geplanten Skills rund 90.000 Euro.

Mit TV-Werbung dem Unbehagen begegnen

Neben der Zustimmung vieler englischer Alexa-Nutzer für die Glaubens-Angebote äußert sich ein anderer Teil eher zurückhaltend. „Über das Beten öffentlich mit Alexa zu reden, davor haben viele noch Angst“, hat Ben Hollebon vom englischen Digital-Team bemerkt. Um die Menschen für den Service „Beten mit Alexa“ zu motivieren, laufen Werbespots im englischen Fernsehen. Sie zeigen u.a. eine Mutter eines Kleinkindes, die Alexa um ein Gebet bittet, bevor sie mit dem Füttern ihres Sprößlings beginnt. Aus dem Lautsprecher kommt das passende Tischgebet für die Mahlzeit.

Beten als „Reden des Herzens mit Gott“

In Frankfurt am Main hat auch Pfarrerin Pia Baumann von der Evangelischen Gemeinde Bockenheim über den Einsatz von Alexa für Gebetsanliegen nachgedacht. In einer Rundfunkandacht beschreibt sie beten als „Reden des Herzens mit Gott.“ Das helfe ihr, ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen, sich darauf zu besinnen, was wirklich wichtig sei. Pfarrerin Baumann schlussfolgert: „So gesehen, glaube ich nicht, dass Siri oder Alexa mir das Beten abnehmen  können.“ Allerdings begegne sie als Pfarrerin auch Menschen, die sich eine Anleitung zum Beten wünschten. So könne sie sich vorstellen, Alexa um Hilfe zu bitten, um beispielsweise das „Vater unser“ einzuüben. Abschließend präzisiert sie die mögliche Funktion für die persönliche Glaubenspraxis von Alexa: „Nicht um unser Gebet zu ersetzen. Aber um uns dabei zu helfen.“

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